2005-04-12, 10:24
Hier mal ein interessanter Artikel aus der Zeitung zu dem Thema:
Des Kärntners letztes Abenteuer
Mit seiner neuen Partei BZÖ will Jörg Haider vor allem eines verhindern: Endgültig in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden
OLIVER STOCK,
WIEN
HANDELSBLATT, 12.4.2005
Sein Lachen ist breit, das Gebiss weiß wie der Schnee auf Kärntner Gipfeln. Im Sitzungssaal der alten Wiener Sternwarte Urania wird vor acht Tagen das Tuch zerschnitten, das das neue Logo für das Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) verhüllt. Es ist in verschiedenen Orangetönen gehalten und erinnert sehr schön an die Vorgänge in der Ukraine. Orange, die Farbe der Gewinner. Und Jörg Haider will nach einer Serie vernichtender Wahlniederlagen noch einmal Gewinner sein. Er hat deswegen der Partei, die er selbst groß gemacht hat, den rechtskonservativen Freiheitlichen (FPÖ), die Treue gekündigt. Und sich selbst an die Spitze einer neuen Organisation gestellt.
Seither ist etwas los im Staate Österreich. Kanzler Wolfgang Schüssel, der Haiders FPÖ mit seiner Umarmungsstrategie in den vergangenen Jahren fast erdrückt hat, gibt sich gelassen und will mit der BZÖ weiterregieren. Etwas anderes bleibt ihm angesichts flauer Umfragewerte auch gar nicht übrig. Alfred Gusenbauer, wortreicher, aber völlig uncharismatischer Führer der oppositionellen Sozialdemokraten hält das „No-Problem-Orchester Schüssels für eine Schmäh, an die niemand in Österreich glaubt“.
Ganz richtig liegt der Mann mit seiner Analyse nicht. Die Mehrheit des Parlaments steht hinter der neuen Koalition aus Schüssels Volkspartei und Haiders Bündnis. Eine Abstimmung übers Budget brachte die Regierung am vorigen Donnerstag locker über die Bühne. Für heute hat die Opposition eine aktuelle Stunde beantragt. Motto: „Regierung am Ende – Österreich braucht Neuwahlen“. Erwartet wird, dass Kanzler Schüssel auch diese Diskussion Akten lesend auf der Regierungsbank überstehen wird, während Haider Kärnten regiert.
Doch noch regt sich die alte FPÖ. Haider wurde aus der Partei geworfen, laut ist der Spott der alten Freiheitlichen vom rechten Rand, denen der neue, eher pragmatisch ausgerichtete Kurs des Kärntners nicht ins Konzept passte. „BZÖ? Sind das nicht die Bienenzüchter Österreichs?“ fragt FPÖ-Funktionär Ewald Stadler. Andere, um die Haider lange gebuhlt hat, bleiben verbittert zurück. Er „verhält sich wie ein Kind, das eine Sandburg baute und sie lieber zerstört, bevor ein anderes Kind damit spielen kann“, stellt Heinz-Christian Strache fest. Strache soll die alte FPÖ künftig als neuer Parteichef führen. Einen Parteitag hält die FPÖ am nächsten Wochenende ab. Haider, der Medienerfahrene, hat daraufhin den Zukunftsparteitag seines Bündnisses für dieses Wochenende in Salzburg angesetzt. „Die BZÖ ist mein Baby“, sagt er.
Der Landeshauptmann von Kärnten, geboren 1950, steht unter enormem Druck. Sein Image hatte nach Wahlen, die die FPÖ zuletzt nahe der in Österreich geltenden Vier-Prozent-Hürde drückten, stark gelitten hat. Vor fünf Jahren hatte das noch ganz anders ausgesehen. Damals, zu Anfang des Jahres 2000, stand der Kärtner auf dem Höhepunkt seiner Macht. Die Partei hatte unter seiner Führung 28,3 Prozent der Stimmen geholt. Haiders Tiraden von der österreichischen Nation als „ideologischer Missgeburt“ hatten die Wähler nicht davon abgehalten, die FPÖ zur zweitstärksten Kraft zu machen. Haider aber verblüffte erneut: Kurz nach dem Triumph verzichtete er auf den Parteivorsitz. Sein fünfzigster Geburtstag in einem eigens gemieteten Skigebiet in Kärnten hatte dann etwas von Pilgerfahrt. Als es dämmerte, brauste der Verehrte auf seinem Motorschlitten, eskortiert von Fackel tragenden Skilehrern, ins Tal. Fünf Jahre später, vor drei Monaten in St. Veit, war die Gästeschar um zwei Drittel geschrumpft.
Die vergangenen fünf Jahre haben Kerben in seinem Gesicht hinterlassen. Ab und an setzt er eine Brille gegen die Kurzsichtigkeit auf. Die Fassade des Marathonläufers hält noch, aber darunter steckt ein Berufspolitiker, der müde geworden ist. Seine Mitstreiter von einst sind heute Minister und haben eigene Macht, seine eigene Schwester Sozialministerin. „In der Regierung sitzen keine Visionäre mehr, sondern plumpe ideenlose Verwalter“, sagte Haider in einem Interview kurz nach seinem 55. Geburtstag.
In solchen Sätzen spiegelt sich die Angst eines Politikers, der sich selbst bevorzugt als Retter Österreichs stilisierte, in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden. Jetzt will es der Charismatiker noch einmal wissen. „Ich kann von mir sagen, so authentisch, wie ich heute bin, war ich noch nie“, glaubt Haider. Meinungsforscher trauen seiner BZÖ, deren Parteiprogramm derzeit eine Seite umfasst, bis zu 15 Prozent zu. Dazu muss sie sich allerdings bis zu den regulären Nationalratswahlen in anderthalb Jahren als stabil erweisen. Und Haider muss es mit dem gnadenlosen Charme Schüssels aufnehmen. Der Kanzler hat die bürgerliche Koalition durch alle Eskapaden des Kärntners hindurch geführt, weitreichende Sozialreformen durchgesetzt und dabei das Problem Haider ausgesessen.
Jetzt könnte es noch einmal turbulent werden. Welche Konflikte der schwarz-orangen Koalition ins Haus stehen, das lässt sich bereits hören: „Schüssel hat sich Österreich untertan gemacht. Gegen diesen schwarzen Putsch in den Führungsetagen waren die damaligen Sozialdemokraten von geradezu vornehmer Zurückhaltung“, poltert Haider. „Seine verbalen Entgleisungen richten sich von selbst“, sagt Schüssel. Mit ätzender Ironie fügt er hinzu: „Haider ist doch eine konstruktive Persönlichkeit.“
Des Kärntners letztes Abenteuer
Mit seiner neuen Partei BZÖ will Jörg Haider vor allem eines verhindern: Endgültig in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden
OLIVER STOCK,
WIEN
HANDELSBLATT, 12.4.2005
Sein Lachen ist breit, das Gebiss weiß wie der Schnee auf Kärntner Gipfeln. Im Sitzungssaal der alten Wiener Sternwarte Urania wird vor acht Tagen das Tuch zerschnitten, das das neue Logo für das Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) verhüllt. Es ist in verschiedenen Orangetönen gehalten und erinnert sehr schön an die Vorgänge in der Ukraine. Orange, die Farbe der Gewinner. Und Jörg Haider will nach einer Serie vernichtender Wahlniederlagen noch einmal Gewinner sein. Er hat deswegen der Partei, die er selbst groß gemacht hat, den rechtskonservativen Freiheitlichen (FPÖ), die Treue gekündigt. Und sich selbst an die Spitze einer neuen Organisation gestellt.
Seither ist etwas los im Staate Österreich. Kanzler Wolfgang Schüssel, der Haiders FPÖ mit seiner Umarmungsstrategie in den vergangenen Jahren fast erdrückt hat, gibt sich gelassen und will mit der BZÖ weiterregieren. Etwas anderes bleibt ihm angesichts flauer Umfragewerte auch gar nicht übrig. Alfred Gusenbauer, wortreicher, aber völlig uncharismatischer Führer der oppositionellen Sozialdemokraten hält das „No-Problem-Orchester Schüssels für eine Schmäh, an die niemand in Österreich glaubt“.
Ganz richtig liegt der Mann mit seiner Analyse nicht. Die Mehrheit des Parlaments steht hinter der neuen Koalition aus Schüssels Volkspartei und Haiders Bündnis. Eine Abstimmung übers Budget brachte die Regierung am vorigen Donnerstag locker über die Bühne. Für heute hat die Opposition eine aktuelle Stunde beantragt. Motto: „Regierung am Ende – Österreich braucht Neuwahlen“. Erwartet wird, dass Kanzler Schüssel auch diese Diskussion Akten lesend auf der Regierungsbank überstehen wird, während Haider Kärnten regiert.
Doch noch regt sich die alte FPÖ. Haider wurde aus der Partei geworfen, laut ist der Spott der alten Freiheitlichen vom rechten Rand, denen der neue, eher pragmatisch ausgerichtete Kurs des Kärntners nicht ins Konzept passte. „BZÖ? Sind das nicht die Bienenzüchter Österreichs?“ fragt FPÖ-Funktionär Ewald Stadler. Andere, um die Haider lange gebuhlt hat, bleiben verbittert zurück. Er „verhält sich wie ein Kind, das eine Sandburg baute und sie lieber zerstört, bevor ein anderes Kind damit spielen kann“, stellt Heinz-Christian Strache fest. Strache soll die alte FPÖ künftig als neuer Parteichef führen. Einen Parteitag hält die FPÖ am nächsten Wochenende ab. Haider, der Medienerfahrene, hat daraufhin den Zukunftsparteitag seines Bündnisses für dieses Wochenende in Salzburg angesetzt. „Die BZÖ ist mein Baby“, sagt er.
Der Landeshauptmann von Kärnten, geboren 1950, steht unter enormem Druck. Sein Image hatte nach Wahlen, die die FPÖ zuletzt nahe der in Österreich geltenden Vier-Prozent-Hürde drückten, stark gelitten hat. Vor fünf Jahren hatte das noch ganz anders ausgesehen. Damals, zu Anfang des Jahres 2000, stand der Kärtner auf dem Höhepunkt seiner Macht. Die Partei hatte unter seiner Führung 28,3 Prozent der Stimmen geholt. Haiders Tiraden von der österreichischen Nation als „ideologischer Missgeburt“ hatten die Wähler nicht davon abgehalten, die FPÖ zur zweitstärksten Kraft zu machen. Haider aber verblüffte erneut: Kurz nach dem Triumph verzichtete er auf den Parteivorsitz. Sein fünfzigster Geburtstag in einem eigens gemieteten Skigebiet in Kärnten hatte dann etwas von Pilgerfahrt. Als es dämmerte, brauste der Verehrte auf seinem Motorschlitten, eskortiert von Fackel tragenden Skilehrern, ins Tal. Fünf Jahre später, vor drei Monaten in St. Veit, war die Gästeschar um zwei Drittel geschrumpft.
Die vergangenen fünf Jahre haben Kerben in seinem Gesicht hinterlassen. Ab und an setzt er eine Brille gegen die Kurzsichtigkeit auf. Die Fassade des Marathonläufers hält noch, aber darunter steckt ein Berufspolitiker, der müde geworden ist. Seine Mitstreiter von einst sind heute Minister und haben eigene Macht, seine eigene Schwester Sozialministerin. „In der Regierung sitzen keine Visionäre mehr, sondern plumpe ideenlose Verwalter“, sagte Haider in einem Interview kurz nach seinem 55. Geburtstag.
In solchen Sätzen spiegelt sich die Angst eines Politikers, der sich selbst bevorzugt als Retter Österreichs stilisierte, in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden. Jetzt will es der Charismatiker noch einmal wissen. „Ich kann von mir sagen, so authentisch, wie ich heute bin, war ich noch nie“, glaubt Haider. Meinungsforscher trauen seiner BZÖ, deren Parteiprogramm derzeit eine Seite umfasst, bis zu 15 Prozent zu. Dazu muss sie sich allerdings bis zu den regulären Nationalratswahlen in anderthalb Jahren als stabil erweisen. Und Haider muss es mit dem gnadenlosen Charme Schüssels aufnehmen. Der Kanzler hat die bürgerliche Koalition durch alle Eskapaden des Kärntners hindurch geführt, weitreichende Sozialreformen durchgesetzt und dabei das Problem Haider ausgesessen.
Jetzt könnte es noch einmal turbulent werden. Welche Konflikte der schwarz-orangen Koalition ins Haus stehen, das lässt sich bereits hören: „Schüssel hat sich Österreich untertan gemacht. Gegen diesen schwarzen Putsch in den Führungsetagen waren die damaligen Sozialdemokraten von geradezu vornehmer Zurückhaltung“, poltert Haider. „Seine verbalen Entgleisungen richten sich von selbst“, sagt Schüssel. Mit ätzender Ironie fügt er hinzu: „Haider ist doch eine konstruktive Persönlichkeit.“