Mir - und scheinbar vielen anderen - ist nicht klar, was das Besondere am DW-Link ist.
DW-Link ist ein Federungssystem, das von Dave Weagle entwickelt wurde und weltweit patentiert ist. Das bekannteste Bike mit DW-Link ist das Ironhorse Sunday, mit dem Sam Hill seine Erfolge gefeiert hat.
Hier mal offizielle Statements zu DW-Links:
www.dw-link.com/home.html
www.ironhorsebikes.com/tech/dw-linkTech.html
Ich möchte mich zuerst auf die Hebel und im zweiten Schritt auf die Dämpferanlenkung konzentrieren.
Hinterbau mit Umlenkhebel
Der grundsätzliche Aufbau ist ein fix zusammengeschweißtes Hinterbaudreick, das über zwei Umlenkhebel mit dem Hauptrahmen verbunden ist. Der untere liegt in der Nähe des Innenlagers und zeigt nach hinten unten. Der obere Hebel liegt oberhalb des Tretlagers. Je nach Aufbau relativ knapp oberhalb des unteren Hebels, aber meist knapp unterhalb dem Punkt wo das Oberrohr mit Sattelrohr verbunden ist. Meist zeigt die obere Wippe nach hinten oben.
Die Hebel haben unterschiedliche Längen und unterschiedliche Winkeln, sind also nicht parallel zueinander. Deswegen bewegt sich das Hinterrad nicht auf einer Geraden. Außerdem gibt es nicht nur einen Drehpunkt, wie bei einem Eingelenker, weshalb die Bewegung des Hinterrads auch nicht kreisförmig ist. Die Achsaufnahme des Hinterbaus bewegt sich auf einer Kurve durch den Federweg (= Raderhebungskurve). Nimmt man die Normalen der Tangenten auf dieser Kurve, so könnte man an jedem Punkt im Federweg einen "virtuellen" Drehpunkt ermitteln. Dieser virtuelle Drehpunkt kann bei jeder Einfedertiefe unterschiedlich sein. Er ändert also seine Position beim Einfedern. Dies ist auch bei den Hinterbauten von Santa Cruz V10 und Intense M6 der Fall. Die haben das System VPP (Virtual Pivot Point) genannt. Ich dachte eigentlich, der Begriff ist geschützt, allerdings habe ich ihn gestern auch in anderen Produktfolder gelesen (Lapierre). Prinzipiell hat jeder Viergelenker einen virtuellen Drehpunkt, auch die Standard-Viergelenker mit Horst-Link. (Entwickelt von Horst Leitner für AMP. Mittlerweilen ist Specialized Patentinhaber. Der Horst Link ist schön zu sehen am hinteren Drehpunkt an der Kettenstrebe am SX Trail.)
Allerdings ist es so, dass sehr viele Bikes dieses System mit fix verschweißtem Hinterbau und zwei Umlenkhebel haben.
Hinterbaudreieck und Umlenkhebel von Bikes mit DW-Link
Ironhorse Sunday und andere Ironhorse Fullies.
Ibis Mojo (Größere Ansicht wählen: Auf der Schwinge steht "dw-link")
Turner 2009er Bikes (Turner DHR, Turner S.Spot, Turner Sultan)
Bikes mit ähnlichem Hinterbau-Aufbau
Giant Glory DH
Kraftstoff M1: CAD-Modell (Pinkbike), Eurobike Fotos: Unten, Oben.
Banshee Legend
Canfield Brothers: Formula 1 Jedi (das F1 Jedi von Koch), Sauce, ...
Ähnlich sind auch das Santa Cruz V10 und das Intense M6. Das Lapierre ist auch etwas ähnlich, dürfte aber vom Prinzip her ganz anders funktionieren. Beim VPP-Hinterbau von V10 und M6 ist der obere Hebel senkrecht und von oben angelenkt. Der untere ist wie bei den anderen oben genannten Bikes. Beim Lapierre ist allerdings auch der untere Hebel anders. Er zeigt nach oben. Der obere Hebel zeigt senkrecht nach oben, ist aber unten am Hauptrahmen angelenkt.
Peter Fernbach hat uns anhand vom Glory DH schön demonstriert, warum diese Hinterbauten der aufgezählten Bikes beim Pedalieren weniger zum Wippen neigen: Drückt man nämlich genau in der Richtung des Kettenzugs, also den Hinterbau auf Höhe der oberen Kettenlinie von hinten gegen den Hauptrahmen, so bewegt sich nichts. Dort ist nämlich der untere Umlenkhebel und der kann sich nicht mehr zusammendrücken. Er müsste sich ja nach vorne unten bewegen, wodurch sich der Dämpfer-Hub verlängern würde. (Anstehen/Anschlagen dürfte der Hebel knapp nicht, sonst würde man das ja hören). Das Fahrer-Gewicht verhindert aber, dass der Dämpfer auseinander geht und damit den Sag vermindert.
Kommt die Kraft allerdings von unten auf die Achsaufnahme des Hinterbaus, so bewegt sich der obere Hebel nach oben und nach vorne. Das System arbeitet. Zusätzlich gewegt sich der untere Hebel etwas nach hinten und oben, sodaß sich auch das Rad etwas nach hinten oben bewegt. Und typische Schläge kommen ja von vorne und unten auf das Hinterrad. Es soll daher indealerweise nach hinten und oben ausweichen.
Beim VPP-System von Intense und Santa Cruz kommt noch hinzu, dass das Hinterrad dank des speziellen oberen Umlenkhebels beim Einfedern eine Kurve macht, bei der genau beim optimalen Sag die Kette am kürzesten ist. Somit würde sich sowohl beim Ein- als auch beim Ausfedern die Kette verlängern. Bei Druck auf der Kette bleibt der Hinterbau ziemlich steif.
Da es soviele Bikes gibt, die einen Hinterbau und Umlenkhebel ähnlich dem DW-Link-Systems haben, frage ich mich, was es da genau ausmacht, wann's ein DW-Link-System ist und wann nicht. Geht ja schließlich um Patente und Geld.
Schauen wir uns die Dämpferanlenkungen an.
Dämpferanlenkung
Da wir bei den Hinterbauten und Umlenkhebel keine entscheidenden Unterschied festmachen konnten, haben wir gedacht, es muss an der Dämpferanlenkung liegen.
Bestärkt hat uns dabei auch Peter Fernbach. Laut ihm wurden die Giant Glory DH Prototypen so gebaut, dass der Dämpfer unten in der Nähe des Tretlagers oder direkt beim Lager des unteren Hebels montiert wurde. Dadurch wäre die weniger schöne Ausbuchtung für die Dämpferaufnahme am Unterrohr weggefallen. Allerdings hat dann DW-Link dafür das Patent angemeldet, und Giant musste sich etwas anderes überlegen.
Wir haben jetzt aber schon eininge Bikes, die offiziell mit DW-Link-Systemen arbeiten, gesehen. Deren Dämpfer sind aber alle unterschiedlich angelenkt:
Ironhorse Sunday und andere Ironhorse Fullies.
Ibis Mojo
Turner 2009er Bikes (Turner DHR, Turner S.Spot, Turner Sultan)
Beim Ironhorse Sunday ist der Dämpfer, wie oben beschrieben, unten in der Achse des unteren Hebels aufgehängt. Es hat angeblich auch Versionen gegeben, wo der Dämpfer auf dem unteren Umlenkhebel angelenkt war. Wie beim Kraftstoff M1 (CAD-Modell, Foto). Andere Ironhorse haben den Dämpfer knapp vor dem Umlenkhebel abgestützt. Wie auch bei den kleineren Turner-Bikes. Komplett anders ist's beim Turner DHR. Und beim Mojo liegt der Dämpfer dafür überhaupt waagrecht drinnen und ist oben am Hinterbaudreieck und nicht am Umlenkhebel abgestützt.
Eine Überlegung bezüglich der Lage des Dämpfers war, dass er beim Einfedern kaum den Winkel verändert. Allerdings ist das am konsequentesten beim Kraftstoff M1 umgesetzt worden. Außerdem ist meiner Meinung nach der Einfluß davon sehr minimal und kann durch andere Möglichkeiten viel stärker beeinflusst werden. Viel wichtiger ist ja, dass der Dämpfer möglichst weit unten liegt, um einen niedrigen Schwerpunkt zu errreichen.
Ein entscheidender Punkt wird sicher sein, dass der Dämpfer oben am Hinterbau abgestütz ist. Entweder am Umlenkhebel, der somit auch zu einer Wippe wird, oder am Hinterbau direkt (Ibis Mojo). Beim Luftdämpfer wirkt sich hohe Position nicht so negativ auf den Schwerpunkt aus.
Damit fallen mal die Canfields und das Banshee Legend weg. Beim V10 und Intense ist das sowieso schon das zweite Unterscheidungsmerkmal.
Übrig bleiben dann das Giant Glory DH und das Kraftstoff M1 (CAD-Modell, Foto). Wenn es wirklich die Position des Dämpfers ist, dann wär's interessant, wie weit weg die unter Dämpferposition sein muss, damit das DW-Link-Patent nicht verletzt wird. Noch interessanter ist es beim Kraftstoff. Eigentlich würde man ja denken, das ist das Paradebeispiel eines DW-Links. Quasi originaler als das Original. Vom Ironhorse Sunday gibt's angeblich Versionen, die auch so abgetützt sind. Jetzt wär's noch interessant, ob das Kraftstoff M1 ein DW-Link ist und auch Patentgebühren bezahlt. So richtig kann ich mir das nicht vorstellen. Oder haben die eine Lücke im Patent ausgenützt, die die Abstützung auf der unteren Wippe erlaubt?
Was ist wirklich das Kriterium für ein DW-Link-System? Wäre interessant, was ihr dazu wisst und meint. Hab mir schon gedacht, mal an DW-Link zu schreiben und nachzufragen.
Was mir auch noch immer nicht ganz klar ist, wann jetzt bei wem das Patent ausäuft, wanns der nächste bekommt usw. Ein Patent kann man ja oft nicht beliebig lizenzieren sondern vermutlich gibt's da auch so Abmachungen wie: Firma A kauft's zum Preis X, wenn es nur an Y weitere Firmen lizenziert wird. Oder Lizenzen für verschiedene Einsatzzwecke.
Ironhorse hat's ja bald nicht mehr. Giant bekommts 2010? Turner hat's jetzt für 2009. Ibis auch, die bauen aber nur kleine Fullies (4X, etc.)